Wolfsmilch

Buch E-Book

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

232 Seiten

CHF 28.00, EUR 28.00

ISBN: 978-3-85990-534-4

Erscheint im September

Zoran Blasić ist ein Aufsteiger. Als Spross jugoslawischer Gastarbeiter, hat er es in Zürich zum mittelmässigen Bildungsbürger gebracht. Diskriminierung und Arbeitskämpfe spuken nur noch als dumpfe Erinnerungen durch das Familiengedächtnis. Es bleiben ein paar Gespenster aus der Vergangenheit und ein unerklärliches Alkoholproblem. Um die Sucht in den Griff zu bekommen, zieht Zoran mit seiner Frau Michi für einen Sommer in die kleine Ostschweizer Gemeinde Schatterbach.

Angekommen im Postkartenidyll, beginnt die Fassade sofort zu bröckeln: Schatterbach feiert jährlich eine Art Chlausenjagd, bei der mit einer Prozession unter Vogelmasken das Böse aus dem Dorf vertrieben werden soll. Doch statt die Gemeinschaft von ihren Gespenstern zu reinigen, scheint es, als würde das Maskenfest die Toten heraufbeschwören. Plötzlich laufen junge Menschen wie Zombies durch die Gassen von Schatterbach, die mit ihrer Kleidung und ihrem Gehabe die Neunzigerjahre wieder aufleben lassen, ein Jahrzehnt, das Jugoslawien blutige Kriege und der Schweiz einen neuen rechtspopulistischen Rassismus brachte.

Während Zoran zunehmend besessen den lebenden Toten in Schatterbach nachforscht, durchlebt er noch einmal die Familiengeschichte als Klassenkampf: Großmutter und Vater wurden in der Schweizer Diaspora von stolzen Kommunisten zu serbischen Nationalisten. Er selbst beendete seine Jugend als orientierungsloser Teenager mit einer nicht wiedergutzumachenden Gewalttat.

Timo Krstin gelingt in seinem Roman ein tänzerischer Hochseilakt über verschiedene Zeit-, Raum- und Wahrnehmungsebenen. Mit diesem gekonnt eingesetzten halb surrealistischen Stilmittel zeichnet er ein stimmiges Bild der Gemeinsamkeiten, die Menschen unabhängig ihrer Herkunft unter bestimmten politischen und gesellschaftlichen Tendenzen entwickeln.

Vielleicht war das der Moment, dachte Zoran, in dem aus den Jugoslawen, nachdem man sie als Gastarbeiter zu Jugos gemacht hatte, die Serben wurden: herausgeschält, geschliffen und gestählt in Zusammenarbeit mit einer ehemaligen Bauernpartei aus der Schweiz.