Filippinis Garten & Schatten

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

CHF 26.00, EUR 26.00

ISBN: 978-3-85990-025-7


2 Rezensionen

Die Entstehung des Romans Filippinis Garten verdankt sich einem Zufall. Auf dem Weg ins Tessin begegnet Walter Matthias Diggelmann in Thusis einer entfernten Verwandten und erfährt von ihr, dass sein Stiefvater gestorben ist. Niemand hatte es für nötig befunden, ihn von dessen Ableben in Kenntnis zu setzen. Einmal mehr wird Diggelmann mit brutaler Deutlichkeit vor Augen geführt, dass er, der uneheliche Sohn seiner Mutter, in dieser Familie ein Aussenseiter ist.

Wie immer, wenn Schmerz und Zorn ihn übermannten, setzte Diggelmann sich hin und versuchte das Erlebte literarisch zu verarbeiten. Entstanden ist ein Roman, der sich inhaltlich wie stilistisch von seinen früheren Werken unterscheidet. Erstmals steht in Filippinis Garten nicht die Suche nach dem Vater im Vordergrund, sondern die Auseinandersetzung mit der Mutter, die ihn zwar geboren, aber, wie er es empfand, nie ganz akzeptiert hatte. Der Roman – es sollte Diggelmanns letzter werden – ist das Protokoll einer langen und schmerzlichen Reise zu sich selbst. An deren Ende steht zwar der (fiktive) Tod der Mutter, aber auch die Aussicht auf eine mögliche Versöhnung.

Es scheint, als könne der Autor endlich ja sagen zu seinem Leben, wie es nun einmal war. Literarisch zu bewältigen war diese harmonische Wende vermutlich nur dank der ungewöhnlichen Erzählposition, die Diggelmann in diesem Roman einnimmt: Er spricht nicht selbst, sondern lässt seine Frau berichten, was geschieht. Durch diesen zugleich fremden und doch vertrauten Blick gewinnt er eine liebevolle Distanz zur eigenen Person, die einen nie gekannten Frieden in sein Werk einkehren lässt.

Nur wenige Wochen nach Erscheinen von Filippinis Garten wird Walter M. Diggelmann ins Krankenhaus eingeliefert. Die Diagnose lautet Krebs, und es ist klar, dass ihm nicht mehr viel Zeit zum Leben bleibt. Er nutzt sie, indem er Tagebuch führt. Weil ihm die Hände nicht mehr gehorchen, vertraut er seine Gedanken einem Diktiergerät an. So entsteht das Buch „Schatten“. Tagebuch einer Krankheit: Diggelmanns persönliches Vermächtnis und zugleich ein Dokument von hohem menschlichem und literarischem Wert. Kurz vor seinem Tod Ende November 1979 erschienen, wurde es postum zu einem seiner erfolgreichsten Bücher.

Werkausgabe
Band 1 bis 6 von Walter Matthias Diggelmanns Werkausgabe sind auch im Schuber erhältlich.
Geschichten um Abel
Der falsche Zug
Das Verhör des Harry Wind
Die Hinterlassenschaft
Filippinis Garten
Da, das bin ich
Der Preis: Fr. 185.-, Euro 120.-
Die Bestellnummer: ISBN 978-3-85990-031-8

Rezensionen

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Zweimal Tod von und mit W.M. Diggelmann

Gerd Löhrer, Blick / 29.11.04

Autor Walter Matthias Diggelmann (1927 bis 1979) war in den sechziger und siebziger Jahren einer der erfolgreichsten Schweizer Autoren. Ein geachteter und in manchen Kreisen auch geächteter Geschichtenerfinder. Heute vor 25 Jahren ist er gestorben.

Inhalt Der vorliegende Band enthält die beiden letzten Werke von WMD: "Filippinis Garten" und "Schatten". Beide befassen sich mit dem Tod. In "Filippini" ist es der fiktive Tod der Mutter, in "Schatten" Diggelmanns eigenes Sterben. Beide Werke sind der Versuch, das Leben des Autors mit Geschichten zu bewältigen. "Filippinis Garten" beschreibt Diggelmanns lebenslangen Kampf um die Liebe seiner Mutter - und seinen Hass auf sie, weil sie ihn zurückstösst. Sein Held, der Architekt Stephan (Diggelmann wollte Architekt werden, bevor er sich auf das Geschichten-Erfinden verlegte), sehnt sich nach dem klärenden Gespräch mit seiner Mutter und erfindet am laufenden Band Geschichten, die das Gespräch unmöglich machen. Als er schliesslich den Kontakt wirklich sucht, ist sie bereits seit zehn Tagen tot - ihre letzte Zurückweisung und Diggelmanns "Trick", den Konflikt endgültig zu bewältigen. "Schatten" ist das Tonbandtagebuch von Diggelmanns Krebserkrankung. Die Beschreibung des eigenen Leidens ist gnadenlos wie alle seine Geschichten. Wie alle Sterbenskranken schwankt er zwischen Angst, Verzweiflung, Auflehnung, Aggression gegen die Helfer und tiefer Zufriedenheit. Sein letzter Eintrag: 9. Januar 1979; am 29. November 1979 stirbt WMD.

Kritik Der Mann, der überall aneckt - nicht zuletzt bei sich selbst -, hat mit seinen beiden letzten Werken ein verstörendes Erbe hinterlassen. Er fasst in Worte, was wir weniger Sprachgewaltigen als unfassbare eigene Zerrissenheit erleben.

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Ein Eiferer und Haderer

NZZ / 28.11.04

Was hat Walter Matthias Diggelmann (1927?1979) nicht alles geschrieben: zehn Romane, Jugendbücher, Erzählungen Hörspiele, Dramen, Fernsehspiele , Reportagen und Kolumnen. Er mischte sich ein, kämpfte, wagte sich früh an Themen wie die Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg, die Kommunistenhatz in den fünfziger und die zynische Allmacht der Werbewirtschaft in den sechziger Jahren. Ein Eiferer war er, ein Haderer auch: einer, der zeit seines Lebens nicht von den Kränkungen seiner vaterlosen Kindheit, der Wirrsal seiner Jugend loskam. Diggelmann war mutig und eigensinnig. Ein Stilist war er nicht. Die Kraft seiner Texte liegt nicht in ihrer Sprachkunst, sondern in der Dringlichkeit ihrer Anliegen. Das zeigen auch zwei seiner späten Bücher, die nun als fünfter und zweitletzter Band der von Klara Obermüller herausgegebenen Werkausgabe erscheinen. Der Roman "Filippinis Garten" greift das biografische Trauma in neuer Perspektive auf. Die Frau des Erzählers berichtet von dessen Versuch, als ungeliebter unehelicher Sohn nach dem Tod des Stiefvaters doch noch zu einer Verständigung mit der Mutter zu kommen. "Schatten" dagegen, postum erschienen und eines von Diggelmanns erfolgreichsten Büchern, protokolliert die ersten Wochen seines letzten, von der Prognose "Krebs" bestimmten Jahres. Morgen vor 25 Jahren ist der streitbare Erzähler gestorben. (pap.)