Von bitterer Politik und würziger Küche*

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

320 Seiten

CHF 46.00, EUR 28.50

ISBN: 978-3-85647-040-0


2 Rezensionen

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Daniel Haller gelingt es, uns nicht nur für die bolivianische Küche, sondern auch für die Probleme und Anliegen der andinen Bevölkerung zu gewinnen. Aus der Optik des bolivianischen Alltags, sozusagen durch das Küchenfenster, zeigt der Autor die unheilvollen Zusammenhänge auf. Einfühlsam schildert er, was den Bolivianerinnen und Bolivianern auf dem Magen liegt. Aber nicht nur: Geschichten, Anekdoten und Bräuche runden das kulinarische Porträt ab.

Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht stehen die Arbeitslosen auf den Strassen bolivianischer Städte und halten importierte Kaugummis, Nescafé, Schokolade, Cocacola, Milchpulver, aber auch Computerspiele und Blutdruckmesser feil – kurz: Sie warten unproduktiv auf Kundschaft. Für ihre Ahnen war dagegen die optimale Ausnutzung der vorhandenen Arbeitskraft entscheidend: Sie ermöglichte eine ökologisch angepasste Landwirtschaft, so vielseitig wie sonst nirgendwo. So waren die Vorfahren – verglichen z.B. mit den damaligen Europäern – vielseitig und gut ernährt. Heute essen die Enkel vorwiegend Weissbrot und Teigwaren und leiden Hunger.

„Cuando hay, se come. Cuando no hay, se aguanta.“ (Gibts was, so isst man. Gibts nichts, so hält man durch.) So beschreiben die BolivianerInnen ihr Verhältnis zum Essen. In „Von bitterer Politik und würziger Küche“ kommt beides zur Sprache: In den Rezepten kann man das „Gibts was“ kennen lernen. Die Begleittexte gehen auf politische, wirtschaftliche und militärische Gründe des Mangels ein, unter dem das Volk leidet.

Dabei zeigt sich eine Kontinuität der Eroberung des „Indianer“-Lands – von der Ankunft der Spanier bis zu heutigen Weltbankprojekten und der neoliberal inspirierten Agrarreform. Es waren und sind aber die so beraubten indigenen Bauern, die mit ihrem Detailwissen über die lokalen agroökologischen Ressourcen das Land ernähren. In ihrer Kultur ist das Essen zudem nicht nur die Aufnahme von Kalorien, Proteinen und Spurenelementen, sondern trägt vielfältige soziale und oft religiöse Bedeutung.

Rezensionen

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Ein Reiseführer ins Leben

Bolivia SAGO-Informationsblatt / April-Juni 2003

Haller stellt kenntnisreich und lebendig dar, wie das Landwirtschaftssystem der Anden funktionierte und wie über Jahrhunderte vieles zerstört, aber auch vieles bewahrt wurde. Es werden auch die Einflüsse der europäischen Küche und die anhaltenden Angriffe auf die Lebensweise der indigenen Bevölkerung durch die Globalisierung dargestellt - und dies alles nicht in einer trockenen, wissenschaftlichen Abhandlung, sondern immer nahe an den Lebensverhältnissen und aus dem Blickwinkel der Betroffenen. Die Kochrezepte sind meist einfach und praktikabel und werden oft auch in ihren Lebensbezug gesetzt. Insgesamt ein phantastisches Buch und ein Muss für alle, die Bolivien kennen lernen wollen, und dies nicht nur über den Kopf, sondern auch über den Bauch. Mit diesem Buch im Gepäck kann man sicher mehr verstehen, was einem begegnet, als mit wissenschaftlichen Abhandlungen oder mit Reiseführern, die einem so manches Bauwerk erklären. Es ist sozusagen ein Reiseführer ins Leben.

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Nahrungsmittel mit Seele

Eine Welt. Das DEZA-Magazin für Entwicklung und Zusammenarbeit / 3.9.03

"Cuando hay, se come. Cuando no hay, se aguanta" - Gibt's was, so isst man. Gibt's nichts, so hält man durch. So beschreiben die Bolivianerinnen und Bolivianer ihr Verhältnis zum Essen. Der langjährige Bolivienkenner Daniel Haller beschreibt in seinem bemerkenswerten Kochbuch "Von bitterer Politik und würziger Küche" ebenso die Wurzeln der bolivianischen Küche wie die politischen Hintergründe der heutigen, mangelhaften Ernährungssituation. Die Geschichte der andinen Küche spickt er mit unzähligen - auch bei uns kochbaren - Rezepten, gleichzeitig beschreibt er den bolivianischen Alltag, das landwirtschaftliche Wissen der indigenen Bauern über die agroökologischen Ressourcen und stellt bildhaft dar, dass in ihrer Kultur Nahrungsmittel nicht einfach Agrarprodukte sind, sondern eine Seele haben.