Samla

Buch

alkatout_samla.jpg

Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

144 Seiten

CHF 22.00, EUR 22.00

ISBN: 973-3-85990-114-8


3 Rezensionen

Palästina 1948: Auf dem Territorium des bisher von den Briten verwalteten Protektorats wird drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Massenvernichtung der europäischen Juden durch Hitler-Deutschland der Staat Israel ausgerufen. Die bisherigen Bewohner Palästinas wehren sich gegen die vom Völkerbund beschlossene Teilung ihres Landes, und auch die arabischen Nachbarstaaten wollen sich nicht damit abfinden. Noch in der Gründungsnacht erklären sie Israel den Krieg. Wenig später marschieren jüdische Streitkräfte in die von Arabern besiedelten Gebiete ein, es kommt zum ersten Palästinakrieg.

Der sechsjährige Nasser wird unerwartet aus seinen Kindheitsträumen gerissen und zusammen mit seiner Familie gewaltsam aus seinem Heimatdorf vertrieben. Es beginnt eine Odyssee über Staatsgrenzen hinweg, an Flüchtlingslagern vorbei und durch gesellschaftliche Engpässe hindurch – ein Kampf ums Überleben, der Zeit seines Lebens andauern wird. Nasser wird und bleibt ein Staatenloser.

Auch das politisch instabile und von einer Militärregierung beherrschte Gastland Syrien kann ihm keine dauerhafte Perspektive bieten. So sucht Nasser Zuflucht in Europa. Dank des plötzlichen Reichtums seiner ebenfalls im Exil lebenden Geschwister kann er in Deutschland studieren. Er heiratet eine Deutsche und beantragt mit 36 Jahren einen deutschen Pass, wohl wissend, dass er nie wieder in seine Heimat zurückkehren kann. Es ist die erste Staatsangehörigkeit seines Lebens.

Nach langer Zeit blickt Nasser durch die Augen eines Kindes, das keine Feinde kennt, auf seine Vergangenheit zurück und erinnert sich seiner fast vergessenen arabischen Wurzeln.

Rezensionen

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Palästinenser-Schicksal spannend erzählt

Sandra Kirsch, Neue Württembergische Zeitung / 19.3.2007

Es ist fesselnd erzählt, macht ein bedeutendes Stück Zeitge­schichte begreiflich - und kommt aus Eislingen: Josef Alkatout greift in seinem Buch "Samla" die Geschichte seines Vaters auf, der als Kind aus Palästina vertrie­ben wurde und in Eislingen eine zweite Heimat fand. Der Roman erscheint jetzt in der vierten Auflage.

Autoren gibt es im Kreis Göppingen eine ganze Menge - vom Mundartdichter bis zum Kri­mischreiber. Wenige sind allerdings so jung und mit ihrer ersten Arbeit bereits so erfolgreich wie der Eislin­ger Josef Alkatout. Der Roman "Samla" des 22-Jährigen war nach jeder Auflage ruck, zuck vergriffen. Jetzt wird die Geschichte, die den Bogen von der Vertreibung einer Palästinenserfamilie 1948 bis heute spannt, zum vierten Mal aufgelegt.

Alkatout hat sich mit seinem Ro­man an ein heikles Thema gewagt ­und es gemeistert. Frisch und ohne Vorbehalte erzählt er, wie 1948 jüdi­sche Soldaten in ein palästinensi­sches Dorf einmarschieren und die Bevölkerung in die Wüste schicken, wie manche sterben, andere sich durchkämpfen, Grenzsoldaten be­stechen und in angrenzende Län­der flüchten - für einige der Beginn eines neuen Lebens, für andere nur ein anderes Land, in dem sie ge­nauso arm und hilflos in Zeltsied­lungen vegetieren wie ihre verlore­nen Verwandten in der Wüste Paläs­tinas, das jetzt den Männern mit dem Stern gehört.

Alkatout bedient sich eines Kniffs, um die Geschichte der Ver­treibung zu erzählen: Im Zug bei Stuttgart begegnet seine Hauptfigur Nasser Marouf einem Mann, der ihn an einen jüdischen Soldaten er­innert, den er vor vierzig Jahren als Kind sah. Marouf erinnert sich an seine Kindheit, der Leser erlebt den Einmarsch der Soldaten und die Flucht eines ganzen Dorfes aus der Perspektive des kleinen Jungen, der im nächsten Jahr in die Schule ge­kommen wäre. Vieles von dem, was um ihn herum vorgeht, begreift der Junge noch nicht. Von der politi­schen Situation weiss er nichts. Aber er versteht Ungerechtigkeit und er versteht Menschlichkeit und er er­lebt beides, von jüdischer Seite ge­nauso wie von arabischer.

Die Familie des Jungen kann sich ein neues Leben erkaufen. Sie flieht nach Syrien, später geht die Reise für Marouf weiter nach Europa. Möglich wird das, weil der Vater den Familienbesitz als gläubiger Moslem nicht zur Bank getragen, sondern in Gold angelegt hat, das die Mutter unter ihren grossen Brüs­ten versteckt um den Hals trägt. Ma­roufs Odysee endet in Deutschland. 36-jährig beantragt er dort ei­nen Pass. Den ersten, den er als bis­lang "Staatenloser" je besessen hat.

Inspiriert hat Josef AJkatout die Lebensgeschichte des eigenen Va­ters, der als Kind mit seiner Familie aus Palästina vertrieben wurde und in Eislingen eine zweite Heimat fand. Alkatout ist dort mit seinen drei Geschwistern aufgewachsen und kannte die Heimat des Vaters nur aus Erzählungen, bis er sie zu­sammen mit der Mutter im Jahr 2000 besuchte. Sein Vater konnte die Reise nicht mitmachen, denn die vertriebenen Palästinenser dür­fen bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren.

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Weltgeschichte aus der Sicht eines Kindes

Schweizerischer Bibliothekendienst

Aus der Sicht eines Kindes wird hier spannend und anschaulich ein Stück Weltgeschichte erzählt. Der Erstlingsroman des deutsch-palästinensischen Autors kommt ohne Hass und Schuldzuweisungen aus und macht die Leiden des palästinensischen Volkes verständlich.

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"Es beschäftigt einen doch halt irgendwie"

Karen Schnebeck, Stuttgarter Zeitung / 11.04.2007

Eigentlich hat er sich nie sehr für die Geschichten seines Vaters aus Palästina interessiert – bis er seine Mutter auf eine Reise in die besetzten Gebiete begleitete. Dem Eislinger Josef Alkatout ist ein Buch gelungen, das mehr ist als ein Stück Familiengeschichte.

Der ganz normale Typ von nebenan war Josef­ Alkatout noch nie. Der unkomplizierte 22-Jäh­rige macht gerne kritische Bemerkungen und lacht dann - auch über sich selbst. "Eigent­lich bin ich der Dümmste in meiner Familie", sagt er. Alle drei Brüder hätten "etwas Ver­nünftiges" studiert, Jura zum Beispiel. Die Schwester studiert wie der Vater Apotheker. Alkatout lebt seit einiger Zeit in Genf und studiert internationale Beziehungen. "Das ist so ein typisches Studium. von dem kein Mensch weiss, was er danach damit anfängt. Aber mich hat es halt interessiert", sagt er. "Vielleicht arbeite ich dann ja als Journalist."

Als er noch in Eislingen zur Schule ging, hat Alkatout nebenher Theater gespielt und in der Literatur-AG der Schule Gedichte geschrieben. Einige davon sind in Zeitschriften erschienen. Für die Familiengeschichte sei­nes Vaters hat er sich wie die meisten Jugendlichen nicht interessiert. "Warum auch?", meint er. "Ab und zu hat mein Vater Geschichten von früher erzählt. Wie sie in Palästina gelebt haben, wie sie von den Israeli vertrieben wurden. Aber für uns war das so weit weg."

Dann, zum Jahreswechsel 2000, hat Alkatout seine Mutter auf eine Reise nach Palästina begleitet. Der Vater durfte nicht mit in die alte Heimat. Die vertriebenen Palästinener haben bis heute kein Recht, das Land zu betreten. "Wegen unseres Nachnamens sind wir stundenlang am Flughafen festgehalten worden, aber am Schluss durften meine Mutter und ich dann doch einreisen", erzählt er. In Ramla, dem Dorf, aus dem sein Vater als Kind mit seinen Eltern fliehen musste, wurde für Alkatout die Geschichte lebedig, die sein Vater zuvor in Eislingen am Küchentisch erzählt hatte.

"In Eislingen hört man nachts vielleicht mal eine Kuh muhen oder ein Auto fahren, aber in den besetzten Gebieten, da explodiert und schiesst dauernd irgendetwas. Ständig gab es Bombendrohungen und Schüsse. Das war schon sehr angsteinflössend", sagt Alkatout. In Ramla traf der Student einen alten Mann, der sich noch an die Familie seines Vaters erinnerte und ihm zeigte, wo früher das Haus und die Bäckerei der Alkatouts standen. "Der Bruder meines Vaters war blond, das ist dort natürlich sehr selten, deshalb erinnerte er sich", sagt Alkatout. Dieser Onkel verschwand auf der Flucht vor den israelischen Soldaten in die Wüste.

Besonders schockiert haben den Eislinger die Umstände, unter denen auch heute noch viele Palästinenser in Flüchtlingslagern leben. "Die hausen in der dritten Generation in Plastikgebilden in der Wüste ohne Kanalisation. Es stinkt und ist alles sehr ekelhaft, und die können dort einfach nicht weg." Alkatouts Familie hatte es besser. Seine Grossmutter trug das ganze Vermögen der Familie als Goldschmuck versteckt am Körper. Damit konnte die Familie die Flucht nach Syrien finanzieren und sich dort ein neues Leben aufbauen. Sein Vater und dessen Geschwister studierten in Europa. Der Vater ging nach Deutschland, wurde Apotheker, heiratete eine Deutsche und blieb. "Der ist heute deutscher als deutsch", sagt Alkatout. "Er kennt sich in der Literatur und in der Politik aus, macht Urlaub in Bayern und ist stolz darauf, in einem Rechtsstaat zu leben."

Nach der Rückkehr aus Palästina hat Alkatout sich eingehender mit der Vertreibung seiner Vorfahren und der Familiengeschichte seines Vaters beschäftigt. Noch während der Schulzeit hat er einen Roman geschrieben, der die Vertreibung aus der Sicht eines kleinen Jungen erzählt. Dem Eislinger ist das Kunststück gelungen, ein trauriges Stück Zeitgeschichte spannend zu erzählen – ohne Hass und ohne erhobenen Zeigefinger. "Samla" ist 2006 im Schweizer Verlag Edition 8 erschienen und wird mittlerweile in der vierten Auflage vertrieben.