Buch von Glück

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

163 Seiten

CHF 22.00, EUR 22.00

ISBN: 978-3-85990-078-3


4 Rezensionen

Dragica Rajcic hat sich einen Namen gemacht als eine Stimme der ImmigrantInnen, indem sie immer wieder witzig und genau die Schweiz aus dem Blickwinkel der „Ausländer“ aufs Korn nimmt und die Situation der „Fremden“ reflektiert. Besonders eindringlich und engagiert hat sie diese Thematik zur Zeit des Krieges in Kroatien, Bosnien und Herzegowina in Worte gefasst.

Mit ihrer Lyrik in gebrochenem, schillerndem Deutsch unterstreicht sie die Fremdheit auch sprachlich, sie irritiert und fasziniert mit eigentümlichen Wendungen und gekonnten Pointen und lässt in den Bruchstellen die Funken sprühen. Die Auseinandersetzung mit der eigen-fremden Sprache – vertraute und trügerische Stütze – gehört zu den Fragestellungen, die sie in all ihren Gedichtbänden, auch in diesem, begleiten.

Im Vordergrund steht im Buch von Glück aber ein anderes Thema: Die Liebe. Die Liebe mit ihrer Sehnsucht und Entgrenzung, mit dem Aufbrechen des Gefestigten, den unlebbaren Entwürfen – und schliesslich der schmerzhaften Ernüchterung angesichts der Utopie der Zweisamkeit. Das schwankende, suchende Lebensgefühl greift auf alles über, prägt auch das Nachdenken über Kindheit, Herkunft, Identität oder Frausein, lässt träumen und zweifeln und mündet oft in eine leise Ironie. So bündelt das Buch von Glück in einem lyrischen Wechselbad Momentaufnahmen eines überschwänglichen und trauernden, eines ausgelieferten und kritischen Ich. Getragen von einer Sprache, die lakonisch und präzis über die Beschreibung von Alltäglichem das Existenzielle aufleuchten lässt.

Rezensionen

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Viel Musik in Buch von Glück

Lilith Frey / Blick / 11.12.04

St. Gallen. Die Kroatin DragicaRajäc (45) verdreht deutsche Worte und spielt mit ihrem Sinn. So gelingen ihr ganz besondere Gedichte.

BLICK: Warum schreiben Sie so ein komisches Deutsch?
Dragica Rajcic: Der Grund ist meine Grossmutter. Sie sprach dalmatinischen Dialekt und weil ich viel allein war und sie sehr liebte, nahm ich ihren Dialekt an, wofür mch die Kinder in meinem Dorf Split auslachten. Diese Grossmutterform habe ich in die deutsche Sprache übernommen.

Setzen Sie Ihrer Grossmutter so ein Denkmal?
Nein. Ich stelle die deutschen Worte bewusst um und nehme mir so die Freiheit, etwas anderes zu machen.

Es ist doch anstrengend, die Worte zu verdrehen?
Nein, ich sehe in jedem Wort zwei Bilder. Zum Beispiel im Wort Malen: Es bedeutet Kaffee malen und Bild malen.

Liest man Ihren neuen Gedichtband "Buch von Glück" hintereinander weg, ohne auf den Inhalt zu achten, hört man eine wunderbare Melodie. Ein bisschen erinnert die Musikalität an das Wortgeklingel der Elfriede Jelinek. Ist sie Ihr Vorbild?
Nein. Wenn man solange schreibt wie ich, hat man einen Fundus von Seelenverwandten, aber keine Vorbilder mehr, man muss es selber machen.

Sie sind geschieden und bringen Ihre drei Kinder allein durch. Sind Sie Feministin?
Ja, in meinem Sinne. Ich bin damit aufgewachsen, dass Frauen als das schwache Geschlecht gelten, aus dieser Tatsache heraus habe ich langsam meine Rückschlüsse gezogen.

Männer haben aber vor Feministinnen Angst.
Der Mann der kroatischen Feministin Slavenka Dralmlic sagt, es sei für ihn eine Ehre, mit einer Feministin verheiratet zu sein.

Interview: Lilith Frey

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Das Licht der Buchstaben

Marica Bodrozic / Der Bund

Der neue Gedichtband von Dragica Rajcic handelt vom Glück in Schräglage, von Liebe und ihrem Verlust. Aber was ist für die dalmatinisch-schweizerische Dichterin Glück? Am ehesten noch alles, was vergeht und genau darin kostbar wird.

Die Vergänglichkeit, wussten Dichter schon zu allen Zeiten, ist ein kostbares Gut des Menschen. Die Wenigsten vermögen es, dies zu ertragen, ohne dabei sentimental zu werden. Die in St. Gallen lebende Lyrikerin Dragica Rajcic hat für ihre märchenverspiegelten Bilder Wörter gefunden, die den Blick ohne Melancholie stunden. "Immer da und nie gesehen/ Du/ Wer klopft goldschuppen von meinen augen", heisst es einmal in diesem Sinne. Im Grenzland des Herzens schwebt das Licht. Obwohl es ein Scheitern gibt, wird die Liebe "hinter allem" vermutet und in allem gesichtet. Finden und Verlieren sind austauschbar.

Dragica Rajcic lässt die Fenster in den Wunden auf die Bühne treten und liefert den Leser ihren Wörterbrettern aus, wie sie eigensinniger nicht sein könnten. Gerade weil sich Rajcic nicht um die Grammatik schert, gelingt ihr etwas verschoben Wirkliches. Als zeige sich eben darin die Verspiegelung eines ganz anderen Grundes, eine Art Liebe ohne Bedingungen, die es lediglich zu beschreiben gilt. Die reine Schönheit eines Liebesgedichtes blitzt dann auf, ein stiller Sommer scheint in jedem Satz versteckt.

"Weine nicht mein Auge", heisst es einmal, "mit jeder tränne/ geht Licht verloren./ Bleib wach und sehe/ Er ist ein anderer." Der Ort und die Haut der Liebe sind Dragica Rajcics Forschungsstätten. Sie hat sich in ihren Liebesgedichten aufgemacht, dafür eine Wohnstatt der beständigen Bilder zu finden. Und sie ist klug genug, dem anderen, urgründigen Spiegel ihre Buchstaben und ihre Sprache anzuvertrauen.

Marica Bodrozic

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Nennen sie freulein nicht freulein wenn sie / Sprache bestellen

Virgilio Masciadri / orte 152/2007

An einem Gedichtband von Dragica Rajcic fällt zuerst der eigenwillige Ge­brauch auf, den sie vom Deutschen macht: Ungefiltert, unkorrigiert treten uns da die grammatischen Querschlä­ger einer Autorin entgegen, die eine ihr fremde Sprache schreibt. Das ist so, seit Rajcic vor mehr als zwanzig Jahren (übri­gens in "orte") ihre ersten Verse veröffent­licht hat. Da fragt man sich unvermeid­lich, ob dieses Ausländer-Deutsch nach so langer Zeit noch echt ist. Macht es mittlerweile nicht eher - und manch­mal fast zu sehr - den Eindruck einer Kunstsprache, mit der die Dichterin Ver­fremdungen erzeugt, jene für ihre Lyrik kennzeichnenden Brüche, Tempowechsel und Stockungen? Denkt man indes an den Ausländer-Slang, welcher den Umgangston unserer Jugendlichen in den letzten Jahren umgeprägt hat, so emp­findet man das Sprachfremden, an dem diese Autorin hartnäckig festhält, als will­kommene Bestätigung dafür, wie Dich­tung der Gesellschaft vorausläuft und um Jahrzehnte vorwegnimmt, was später in der Popkultur zurückflutet.

Die meisten Texte in Dragica Rajcic' "Buch von Glück* möchte man als Gedan­kenlyrik bezeichnen, vorgetragen in einem unauffälligen Konversationston. Nirgends leuchtende Bilder oder gesuchte Aus­drücke - eher ein grauer, gleichtoniger Sprachraum, durch den Alltagsgegenstän­de mit Wiedererkennungswert treiben: Haushaltwerkzeug, der Bus, die Fabrik. Bisweilen reiben sich die Verse so sehr an der Durchschnittlichkeit des Lebens, dass ihr Rhythmus etwas Atemloses, fast Gequältes bekommt... Doch gerade wenn sie die Sorgen und Ängste von je­dermann genauso festhält, wie jeder von uns sie ausdrücken wurde, findet die Autorin oft beunruhigend einfache Satze für komplizierte Gefühle. Denn so ver­traut uns die Welt dünkt, der wir in die­sen Texten begegnen - bei genauerem Hinsehen ist darin jede Wahrnehmung nicht anders als Rajcic Sprache, leicht verschoben, so dass schräge Blickwinkel entstehen. Besonders deutlich wird das, wenn die Gedichte einen ermunternden Ton annehmen, Anweisungen geben, wie das Leben zu meistern wäre. Das klingt bisweilen geradezu nach Lebens­hilfe - bloss dass die guten Ratschlä­ge nicht umsetzbar sind, sondern ver­wirrend, und damit Schranken errichten gegen die Scheinlösungen einer platten Gebrauchs-Psychologie.

Einen Schwerpunkt in dem Band bil­den Liebesgedichte, meist aus einem betont weiblichen Blickwinkel; oft ist vom Herzen die Rede. Allein entge­gen der Erwartung, die der Titel weckt, ist gerade das Glück der Liebe nicht schmerzlos, mischen sich in die Zunei­gung immer wieder Zweifel, das Bittere, der Verlust. So verstehen wir den einmal ausgesprochenen Wunsch: "wie hemd / ablegen die Liebe" - und zugleich wird klar, dass er unerfüllbar bleiben muss. Die Liebe, wie das Glück, ist eine ver­unsichernde Erfahrung, die sich nicht so leicht abstreifen lässt.

Den Liebesgedichten entgegen ste­hen andere, wo die Autorin Themen auf­greift, wie man sie von ihr erwartet: die Kondition des Ausländer-Seins, aber auch die Entfremdung von zu Hause, die dop­pelte Heimatlosigkeit, die zum Emigran­tenschicksal gehört (wie in "Dubrovnik"). Wie nah die Autorin hier immer noch bei sich selbst ist, merkt man an der durchdachten Prägnanz dieser Texte. Zu­gleich werfen diese ein neues Licht auf die anderen Gedichte: Das Fremdsein in Beziehungen, in der Sprache, im Glück, das diesen ihre Färbung gibt, erscheint als Spiegel dieser anderen Fremdheit, dieses Versetzt-Seins, der prägenden Erfahrung der Emigration.

Am Ende des Bandes schliesslich finden wir eine Sequenz von Texten über Dichtung. Ungeschminktes zu Erlebnissen an Lesungen und bei der Spracharbeit. Gerade diese genauen, gescheiten Texte bestätigen, wo die besondere Stärke dieser Autorin liegt: im Direkten und Provozierenden. Dragica Rajcic ist keine Dichterin des schwammigen Fühlens, sondern eine des Tatsächlichen und Konkreten.

Virgilio Masciadri

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Liebeslyrik, ziemlich prosaisch

Eva Bachmann / St. Galler Tagblatt / 15.10.04

Dragica Rajcic stellt ihren neuen Gedichtband «Buch von Glück» vor

Seit 1978 lebt die Kroatin Dragica Rajcic in St. Gallen. Die Erfahrungen des Fremdseins sind ihren Texten eingeschrieben - auch wenn ihr neuer Gedichtband «Buch von Glück» eigentlich von der Liebe erzählt.

Eva Bachmann

«Meine Mutter hat mir gesagt das sie keine liebe kennt und falls es solche gäbe wäre sie reine Einbildung untätiger Frauen. Zitat Ende.» Diese Worte stellt Dragica Rajcic ihrem Band voran. Ziemlich prosaisch als Einstimmung in einen Band mit Liebeslyrik. Aber auch die poetischen Worte von Paul Celan stehen da: «Es wird ein Gehn sein, ein Grosses, weit über die Grenzen, die sie uns ziehen.»

Damit hat die Dichterin ein Zelt aufgeschlagen, in dem sie über das flüchtige Glück der Liebe und seine Kraft, Grenzen zu sprengen, nachdenkt. Sesshaft ist sie selber nicht, so wenig wie die Liebe. «Iss mich trink mich frag mich sag nichts schau über komm naeher ... verglückt so umglückt kann doch nicht essen mir nihts dir nihts von jetztan was mit alledem was noch nie berührt war so». Zwei in einem Restaurant: eine Szene, heraufbeschworen in wenigen Worten - dazu die Schmetterlinge im Bauch. Das Glück, wenn es denn da ist, strahlt in den Gedichten golden: «In der Nacht des Tages hat es gegoldet / Zwischen den Augen /HellLichter».

Antiherzschmerz

Meistens aber fremdelt das Glück: Es will uns nicht kennen. Und «reparaturen der gebrochenes herzens sind an überfluss an ersatzstücken unausführbar.» Der Verlust der Liebe zeigt sich in schmerzlichen Bildern: im Ablegen einer Haut, im Krieg, in Versteinerung und Zertrümmerung, im Abnagen des Fleischs vom Knochen. Ist es vielleicht besser, sich gar nicht zu verlieben? Der Vorsatz der starken, ernüchterten Frau zielt ins Leere: «Ich schnizelte da gegen Gedichte in der badewannen schwammen davon» - nützt alles nichts: «Die diagnose mittlere bis schwere Liebesvergiftung». Selbst im Schmerz nach dem Absturz behält Dragica Rajcic den trockenen Humor: «Wahnfrauen in büchern / Stecken ihr kopf in backoffen /... Die lebende frauen / Operieren ihre Nasen / Riechen dämonen und lächeln.» Diese entwaffnende Direktheit einer Frau, die mit beiden Füssen auf dem Boden steht, gibt den Gedichten ihre eigene Tonart - den Herzschmerz überlässt sie lieber den Untätigen.

Geliebte Illusion

Die prosaische Stimmung deckt sich mit der Textgestalt: Es sind Prosafetzen mit Zeilensprüngen und Pausen. Dragica Rajcic ist keine, die aus Rhythmen, Lauten und Reimen ihre Verse kunstvoll drechselt. Sie geht frontal auf ihre Sache und so auch auf Leserinnen und Leser zu. Ihre Stärke sind die Bilder, Sprache hingegen ist ihr nur ein Instrument. Um das gebrochene Deutsch schert sie sich nicht, oft ergibt sich beim Lesen daraus sogar ein Mehrwert, eine Aufmerksamkeit auf die Sprache, ein bedeutungsvoller Umweg. Manchmal allerdings erweckt dieses Markenzeichen auch den Anschein des sorglos und schnell Hingeworfenen: Wenn die Autorin im gleichen Gedicht einmal «nichts», ein andermal «nihts» schreibt oder wenn da steht: «Mahle ein Bild von dem was Du nicht malen könntest.» Fremd in der Sprache, fremd im Glück. Dragica Rajcic kennt diese Fremdheit, doch die Illusion, dass sie zu überwinden wäre, ist einen neuen Schreibversuch ebenso wie eine neue Liebe wert (wobei das eine vom anderen kaum zu trennen ist). Und daraus entsteht ein sympathisches Paradox: Diese Gedichte sind melancholische Mutmacher.

Wörtlich

Frauen wie ich

Frauen wie ich Verneinen jegliche beteiligung Am frauenähnlichen herz- schmerz Suchen wahrsagerinen Auf um zu hören Wie man sich am Besten Überlisten kann Mit einem Prinzen im Keller. Für Vorrat. Frauen wie ich legen kein wert Auf Sumulation der hoffnung Sie wissen Sich zu helfen Wenn sie in der handtaschen Ihre sehnsucht verliren. Sie rufen an. Falsche Nummer

Dragica Rajcic