Ausmisten

Buch

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Gebunden, Fadenheftung, Lesebändchen

208 Seiten

CHF 22.00, EUR 22.00

ISBN: 978-3-85990-086-8


5 Rezensionen

Im Haus des Oberstpfarrers der Staatskirche, Dr. Klingler, wütet Nacht für Nacht der Teufel. Der Geistliche fällt im Schlafzimmer mit seiner Frau auf die Knie und betet inbrünstig. Sonntag für Sonntag predigt er gegen den Teufel. Aber durch die Stadt geht das Gelächter, viele ahnen, was da gespielt wird: Der theologische Assistent (Exspektant) des ersten Pfarrers, Adam Koller, spielt die Teufelskomödie, um das verbotene Liebesverhältnis mit der Nichte des Pfarrers ungestört geniessen zu können.

Derweil will der Grossbauer Schocher im Dorf Wermelskirch unter den Dörflern gewaltsam ausmisten: die Fremden, die Liberalen, die Netten, die Hexen und Hexer müssen weg. Klingler ist der Spritus rector von Schochers Volksgruppe. Der Gemeindepfarrer Wirz, sein Assistent Johann David Meili und der ehemalige Sträfling der französischen Galeere, Jakob Maler, sind ihre Antipoden und Hauptfeinde.

Im Gemeindepfarrhaus verliebt sich der Exspektant Meili in des Pfarrers Magd Barbara. Diese wird, angestiftet vom Volksausmister Schocher, mit sechs weiteren Frauen und einem jungen Mann vom Vogt als Hexe verhaftet und zur Untersuchung in die Stadt gekarrt. Meili, nachdem er nach England zu einer Quäkergruppe geflüchtet und dort verhaftet und von der Insel gewiesen worden war, erlebt täglich fiebernd den über mehrere Wochen dauernden Hexenprozess, die Befragungen und Folterungen, und die erbärmliche Praxis der Geistlichen sowie der Richter. Er ist an der Quelle, denn sein ehemaliger Studienkollege Graber ist Prozessprotokollant. Schliesslich werden sieben Frauen und ein Mann, darunter Barbara, wegen ihres angeblichen Teufelspaktes, die zentrale Sünde der Hexen, mit dem Schwert hingerichtet.

In der Stadt formiert sich eine geistig aufgeklärte oppositionelle Gruppe von Intellektuellen, auch ein paar Ratsmitglieder darunter. Die Teufelskomödie im Pfarrhaus wird aufgedeckt. Das „Drama“ des Dr. Klingler ist lächerlich gemacht. Die geistige und politische Auseinandersetzung spitzt sich zu. Doch die Ausmister behalten im Rat noch die Oberhand. Adam Koller wird zum Tod verurteilt. Aber der Teufelsglaube ist entlarvt. Der Hexenwahn hat ausgedient. Als Hexen denunzierte Frauen werden von jetzt an vom Stadtarzt „medizinisch“ wegen „Melancholie“ behandelt. Die Ausmister und „Verteidiger des Volkes“, die Ideologen und Scharfmacher werden in Frage gestellt und zurückgedrängt.

Rezensionen

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Hexen

Koni Löpfe / P.S.

Um 1700 fand in Zürich der letzte Hexenprozess statt. "Ausmisten" von Franz Rueb präsentiert dieses Ereignis in einem Roman, in dem aufgeklärte BürgerInnen gegen den Teufelsglauben kämpfen. Der Roman spielt auf zwei Ebenen: In der Stadt Zürich im Haus des höchsten Pfarrers, Dr. Antonius Klingler, der seinen Teufelsglauben durch Vorkommnisse im eigenen Haus bestätigt sieht. Es rumpelt und geistert in der Nacht. Dass dahinter sein Assistent Adam Koller steckt, ahnt der Pfarrer nicht einmal. Die zweite Ebene ist das entlegene Dorf Wermelskirch, in dem der "Grossbauer" Schoch eine Atmosphäre der Hexenverfolgung schafft, mit der er seinen Grundbesitz mehrt. Die Geschichte endet mit dem Tod von sieben Hexen und von Adam Koller, der mit einem Theaterstück seinen Vorgesetzten lächerlich gemacht hatte. Das Buch zeigt zwei Kerninhalte: Verurteilungen wider die Einsicht der meisten und geschichtliche Dokumente.

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Wahn einer selbstgerechten Obrigkeit

Sabine Huser / ekz-Informationsdienst

Ein kleines Dorf im Kanton Zürich zu Beginn des 18.Jahrhunderts: Jeder kennt jeden in dieser geschlossenen Gemeinschaft, wo sich selten jemand von auswärts niederlässt. Auffallend viele Frauen bleiben hier unverheiratet; Inzucht ist nicht selten. Wirtschafltiche Schwierigkeiten, ständige Angst vor Seuchen und Unwettern und die Erinnerung an einen langen Krieg schaffen die Voraussetzungen für einen Aberglauben, dem vor allem alleinstehende Frauen zum Opfer fallen. Denunziation und brutale Foltermethoden führen bei den Inhaftierten immer zum Geständnis, mit dem Teufel in Verbindung zu sein und rechtfertigt somit ihre Hinrichtung als Hexe. Das "Ausmisten" wird zum Wahn einer selbstgerechten und ungebildeten Obrigkeit, die sich leider nur gegen eine noch schwache, aufgeklärte Opposition um die Hauptfigur des Romans zu behaupten hat. Eindrücklich schildert Franz Rueb in seinem neuen Werk zur Hexenverfolgung in der Schweiz die brutalen Mechanismen einer Gesellschaft, die sich noch im tiefsten Mittelalter befindet, obwohl die Neuzeit eigentlich bereits begonnen hätte. Allen historisch interessierten Leser empfohlen.

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Der Hexenmeister

Liz Sutter / züri-tipp / 22.9.05

Mit Hexenkult hat Franz Rueb nichts im Sinn. Ihn interessiert, wie es zu Verfolgungen kam. In seinem Roman "Ausmisten" geht es um den letzten Hexenprozess in Zürich.

Von Liz Sutter

"Überschwemmungen, wie wir sie kürzlich erlebt haben, hätte man damals dem Teufel und seinen Verbündeten zugeschrieben", sagt Franz Rueb. "Die Kirche hatte die Leute im Griff, indem sie die Angst vor dem Teufel schürte. Gerade auf dem Lande, wo die Menschen der Natur ausgeliefert waren, war man anfällig für diesen Glauben. Die Prozesse und Hinrichtungen fanden in den Städten statt, aber die Denunziationen geschahen immer in den Dörfern." In Franz Ruebs "Ausmisten" benutzt ein Grossbauer in Wermelskirch den Hexenwahn, um unliebsame Dorfbewohner loszuwerden. Treibende Kraft aber ist der Oberstpfarrer am Grossmünster, Antonius Klingler. Er sieht sich auserwählt, den Kampf gegen das Böse zu führen, dem schliesslich sieben Frauen und ein Mann zum Opfer fallen.

Franz Rueb vermischt reale Figuren und Geschehnisse mit erfundenen Personen und Handlungen. Er stützt sich dabei auf eine wahre Geschichte aus dem Dorf Wasterkingen im Rafzerfeld. Auch der reformierte Pfarrer Klingler und seine Teufelspredigten sind historisch verbürgt. Es war also nicht allein die katholische Kirche, die Hexen verfolgte. Rueb räumt auch noch mit anderen falschen Vorstellungen auf: "Die Opfer waren nicht nur so genannte weise Frauen, fast jede Frau konnte Opfer werden, und ein Viertel waren Männer. Die schlimmste Zeit war nicht das Mittelalter, sondern das 17. Jahrhundert. Ich schildere den letzten Prozess, aber auch den Beginn der Aufklärung und damit die Überwindung des Hexenwahns."

LEIDENSCHAFT UND INTENSITÄT

Franz Ruebs Interesse für Hexen begann 1987, als er sich ein erstes Mal in einem Hörstück mit dem Wasterkinger Prozess befasste und danach zwei essayistische Bücher zur Hexenverfolgung schrieb. "Aber diese Zürcher Geschichte ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Zuerst dachte ich an ein Theaterstück . . ." Franz Rueb hat Theatererfahrung. 1970 ist er mit Peter Stein von Zürich nach Berlin gegangen und war vier Jahre lang Dramaturg an der Schaubühne. Davor war er auch mal Redaktor beim "Vorwärts" und sass für die PdA im Kantonsrat.

"Als ich aus Berlin zurückkam, wollte ich nichts mehr mit der Tagespolitik zu tun haben. Ich wollte mich mit Geschichte und Kulturgeschichte auseinander setzen." Er schrieb Bücher über Paracelsus, Johann Sebastian Bach, Ulrich von Hutten. Auffallend oft porträtiert er Menschen des 16. Jahrhunderts, kraftvolle, widersprüchliche Gestalten, die ihm selber nicht unähnlich sind. "Diese Zeit fasziniert mich, weil damals drei wichtige Strömungen ihren Anfang nahmen: Humanismus, Reformation und Renaissance. Mich interessieren Menschen, die Leidenschaft und Intensität ausstrahlen. Mit Coolness habe ich nichts am Hut." Der Aussenseiter und Autodidakt Franz Rueb versucht, seine Bücher auf Veranstaltungen und Lesereisen bekannt zu machen. So hielt er kürzlich an einer Musikhochschule im Staate São Paulo in Brasilien Vorträge über Bach. Für die Vernissage von "Ausmisten" hat er sich den Schauplatz einer lustigen Szene ausgesucht, das Restaurant Weisser Wind. Trotz des schaurigen Themas gibt es in dem Buch nämlich auch einiges zu lachen.

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"Man konnte alle denunzieren"

bm / Tagblatt der Stadt Zürich / 28.9.05

Franz Rueb hat einen Roman über die letzte Zürcher Hexenverbrennung geschrieben - 1701 wurden acht Menschen hingerichtet

Herr Rueb, "Ausmisten" handelt vom letzten Zürcher Hexenprozess. Sie haben bereits zwei Bücher zu diesem Thema verfasst. Was fasziniert Sie daran?
Franz Rueb: Ich befasse mich seit 30 Jahren mit dem Spätmittelalter. Da kommt man automatisch auf die Hexerei. Sie hat in der Zeit von 1450 bis 1700 die Vorstellungswelt dominiert. Der Fall, über den ich berichte, nimmt eine Ausnahmeposition ein: Es war der grösste und gleichzeitig der letzte Hexenprozess in Zürich. Man kann daran zeigen, wie das aufklärerische Gedankengut gegen den religiösen Wahn einen Teilsieg errungen hat.

Warum haben Sie einen Roman und kein Sachbuch geschrieben?
Rueb: Ich konnte dadurch den Hexenprozess mit einem Fall von Teufelei, der sich in einem Zürcher Pfarrhaus zugetragen hat, verbinden. Dieser hat in Wirklichkeit etwas später stattgefunden. Aber ich beschreibe die Geschehnisse so, wie sie hätten passieren können, und stütze mich stark auf die Gerichtsprotokolle.

Wie ist der Fall abgelaufen?
Rueb: Im Dorf Wasterkingen bei Rafz beschuldigte man 1701 mittellose Bauern der Hexerei. Der Vogt von Eglisau führte darauf Untersuchungen durch, danach liess der Zürcher Stadtrat die Verdächtigen in die Stadt bringen. Hier wurden sie so lange gefoltert, bis sie unter Todesqualen ihren Pakt mit dem Teufel "zugaben". Es folgte die Hinrichtung. Die acht "Schuldigen" wurden geköpft, ihre Leichen verbrannt.

Warum wurden die Opfer als Hexen diffamiert?
Rueb: Prinzipiell konnte man zu dieser Zeit jeden, der einem nicht passte, als Hexe oder Hexer denunzieren. Manchmal verhielten sich diese Menschen auffällig, manchmal ging es nur um persönliche Rache. Aber nicht immer folgte die Obrigkeit den Anschuldigungen.

Wie viele Hexen wurden in Zürich insgesamt verbrannt?
Rueb: Im Vergleich zum restlichen deutschsprachigen Raum gaben sich die Zürcher liberal. Zwischen 1500 und 1701 kam es zu 220 Hexenprozessen mit 75 Hinrichtungen. In anderen Städten wie Würzburg wurden bis zu 600 Todesurteile in zwei, drei Jahren gesprochen. Es gab allerdings verschiedene Phasen: Nach Zwinglis Tod wurde die Dämonologie unter Theologen immer beliebter. Und calvinistische und lutheranische Einflüsse, die Gewalt gegen Teufelsgläubige und Hexen rechtfertigten, gewannen an Bedeutung. So kam es zwischen 1570 und 1630 zu den meisten Prozessen. Hexenverfolgungen waren stark vom geistigen Klima abhängig.

Und dieses hat sich nach 1701 geändert?
Rueb: Die Aufklärer gewannen in dieser Zeit an Einfluss, sie hinterfragten auch die Folter als legales staatliches Mittel zur Wahrheitsfindung. Zudem legte die vorgetäuschte Teufelserscheinung im Pfarrhaus die Absurdität des Aberglaubens bloss.

Sieben der acht Opfer waren Frauen. Warum?
Rueb: Das ist im Christentum angelegt. Die Frau wird in der Bibel dem Naturprinzip näher gestellt. Also gilt sie als schwächer und deshalb anfälliger für die Versuchungen des Teufels. Und das Brutale an diesem Denken war: Wer einmal offiziell dem Teufel verfallen war, der wurde als menschlicher Abfall betrachtet. (bm)

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"Wir müssen das Dorf ausmisten"

Fahrettin Calislar / Zürcher Unterländer / 22.9.05

Sieben Frauen und ein Mann aus Wasterkingen wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Über diese vor 300 Jahren geschehene Tragödie berichtet Franz Rueb in seinem neusten Roman.

Fahrettin Calislar

Die Kirche von Wasterkingen ist ein wichtiger Schauplatz in der Geschichte von Franz Rueb über den Hexenprozess von 1701. (fca) Franz Rueb hat sich intensiv mit der Frage der Hexenverfolgung im deutschsprachigen Raum und insbesondere in der Schweiz beschäftigt. Der 72-jährige Autor schrieb zwei Bücher zu diesem dunklen Bereich der Kirchengeschichte. Das dritte Buch, gerade erschienen, befasst sich mit dem letzten und grössten Hexenprozess im Kanton Zürich, demjenigen von Wasterkingen.

«Eine Dorfhälfte klagt die andere der Hexerei an und denunziert sie bei der Obrigkeit», fasst Rueb die Geschichte zusammen. 1701 wurden 13 Bewohner von Wasterkingen ? bei Rueb heisst das Rafzerfelder Dorf Wermelskirch ? von ihren Nachbarn und deren Anführer Jakob Rutschmann der Hexerei bezichtigt. Acht von ihnen wurden in Zürich gefoltert, vom Rat verurteilt, enthauptet und verbrannt.

Lückenlos dokumentiert

Kaum zuvor wurden in der Schweiz gleich acht Menschen Opfer der Hexenverfolgung. «Der Fall ist fast lückenlos mit Akten dokumentiert», sagt Rueb, der dadurch die Stimmung aus jener Zeit genau beschreiben konnte.

Das Besondere an diesem Fall sei, dass in Zürich zuvor 50 Jahre lang überhaupt niemand mehr wegen Hexerei hingerichtet worden war, dass man glaubte, dieses spätmittelalterliche Phänomen überwunden zu haben. Und dann kam, scheinbar urplötzlich, dieser brutale Ausbruch der Gewalt gegenüber den eigenen Nachbarn.

Parallelen zur heutigen Politik

Im Hintergrund stand damals die Suche nach Sündenböcken, sagt Rueb. Man habe eine Wirtschaftskrise gehabt und habe seinen Zorn gegen die Schwachen gerichtet, gegen das vermeintlich Fremde, Andersartige. Rutschmann wollte, so Rueb, gewissermassen den Stall vom Abfall befreien: «Man müsse das Dorf ausmisten», beschreibt Rueb die Gedanken seines «Bösewichts».

«Ausmisten» ist der Titel des Buches, und Ähnlichkeiten mit der aktuellen Politik seien keineswegs zufällig. Heute würde man von «Scheininvaliden» und «Kriminaltouristen» sprechen, sagt Rueb. Von der Hexenverfolgung von damals könne man auch eine direkte Linie zur Fremdenfeindlichkeit von heute ziehen: «Es gibt noch heute Gruppen, die ständig auf anderen herumhacken.»

«Der Teufel in uns selbst»

Der Hexenprozess von Wasterkingen sei ein Schlüsselereignis, das letzte Aufbäumen der «Bewahrer» und ihres Hexenwahns gegenüber der erwachenden Aufklärung. Hinter der Hexenverfolgung stecke ja nicht nur die Angst vor dem Fremden, sondern vor allem vor dem «Teufel in uns selbst», erklärt Rueb. Als die acht Wasterkinger Opfer der Grausamkeit ihrer Mitmenschen wurden, debattierte man in Zürich bereits heftig über die Legitimität von Foltern und Hexenprozessen.

Der Fall der «letzten Hexe» Anna Göldin 80 Jahre später in Glarus sei schon kein klassischer Hexenprozess mehr, sagt Rueb, da diesem Ereignis die religiöse Komponente fehle.